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Finanzsystem stabilisieren

Anzeigetafel für Aktienkurse, Australien
Balkendiagramm: 3,8 Billionen $ Verluste in 20-35 Jahren, 20,4 Billionen $ Risikopotential von Derivaten Negativer Trend regarding financial crises/positive trend regarding debt relief

Die internationale Verschuldung, Preisblasen von Vermögenswerten, komplexe Wertpapiere und andere Formen der Instabilität des Finanzsystems gefährden die soziale und wirtschaftliche Entwicklung, wie die gegenwärtige Finanzkrise zeigt. Darüber hinaus schränken die Schulden des globalen Südens dessen Möglichkeiten der Armutsbekämpfung, öffentlichen Gesundheitspflege, Bildung etc. (und so weiter) ein.

Betroffene Menschen und Lebensgrundlagen: Verschuldungsprobleme und andere wenig gesicherte Finanztransaktionen haben u. a. (unter anderem) die Asienkrise, die Argentinienkrisie, das Dot-com-Sterben sowie die US-Subprime-Krise mit ihren globalen Folgen herbeigeführt. Das Finanzsystem birgt eine höheres Risiko als andere Bereiche der Wirtschaft, weil die Folgen eines Marktversagens nicht auf den entsprechenden Markt begrenzt bleiben; vielmehr kann der Zusammenbruch eines Instituts im Extremfall zu einem Kollaps des ganzen Finanzsystems führen (systemisches Risiko) und die Realwirtschaft dadurch erheblich in Mitleidenschaft ziehen (SRW [Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung] 2008, 4). Das Finanzsystem neigt dazu, prozyklisch zu sein, also in guten Zeiten zu überdehnen und sich in schlechten Zeiten scharf zu reduzieren, womit eine Instabilität wahrscheinlicher wird und unerwünschte gesamtwirtschaftliche Rückkopplungen verstärkt werden (BoE [Bank von England] 2008, 44). 2005 kam die Counterparty Risk Management Policy Group (CRMPG) in ihrem "Corrigan-Report", der von führenden Managern einiger privater Finanzinstite erarbeitet wurde, zu der Schlussfolgerung, dass seit der Asienkrise die statistische Wahrscheinlichkeit des Eintritts erheblicher und systemischer (über das Finanzsystem hinausgehender) Schocks gesunken ist. Aber der von solch einem Schock verursachte Schaden wäre aufgrund der enorm gestiegenen Geschwindigkeit und Komplexität sowie der enger gewordenen Verbindungen im globalen Finanzsystem größer. Darüber hinaus kam die CRMPG zu dem Ergebnis, dass die Fähigkeit der Finanzwelt, systemische Schocks vorherzusehen, gegen null geht. (CRMPG 2005.) Nunmehr ist der Risikofall eingetreten.
  Von 1970 bis 2007 sind auf nationaler Ebene 124 Bankenkrisen, 208 Währungskrisen und 63 Verschuldungskrisen aufgetreten (einschl. [einschließlich) 42 Doppel- und 10 Dreifachkrisen; Laeven/Valencia [IMF (Internationaler Währungsfonds (International Monetary Fund))] 2008, 7 und 56). Die Kosten für die Steuerhaushalte aufgrund von Finanzkrisen in den Schwellenländern in den 1980ern und 1990ern übertrafen US$ (Dollar der Vereinigten Staaten von Amerika) 1 Billion (WB [Weltbank] 2006). Die Finanzkrisen seit 1980 hatten gemeinsame Ursachen: Kreditkonzentrationen (auf bestimmte Kreditnehmer), Fehlanpassungen der Laufzeiten auf breiter Basis, exzessive Hebel (Leverage, Verschuldungsgrad), die Illusion der Liquidität – oder die Vorstellung, dass Liquidität immer vorhanden sein wird –, sowie volkswirtschaftliche Ungleichgewichte, etwa Inflation, Rezession, Haushaltsdefizite oder große Ungleichgewichte der Leistungsbilanz (CRMPG 2008, 6).
  Ende 2006 bis Juli 2007 platzte die Blase des US-Immobilienmarkts, und Zwangsvollstreckungen nahmen zu. Diese Turbulenzen haben sich zu einer globalen Finanzkrise entwickelt. Kreditflüsse sind eingefroren und das Vertrauen der Anleger ist gesunken. Weltweit fiel eine Volkswirtschaft nach der anderen in einen Abschwung oder eine Rezession. Vor allem im September 2008 haben einige der größten und ehrwürdigsten Banken, Investmenthäuser und Versicherungsgesellschaften entweder Konkurs angemeldet oder mussten finanziell gerettet werden. (CRS [Congressional Research Service] 2008, 2.) Für kurze Zeit drohte ein Zusammenbruch des globalen Finanzsystems, der nicht absehbare realwirtschaftliche Folgen gehabt hätte. Die Notenbanken und Regierungen haben durch ihr entschlossenes Eingreifen eine solche Entwicklung verhindern können. (SRW 2008, III [römisch 3].) Die Krise deckte weltweit grundlegende Schwächen der Finanzsysteme auf, und trotz einer koordinierten Lockerung der Geldpolitik sowie Billionen von Dollar an Interventionen dauert die Finanz- und Wirtschaftskrise an (CRS 2008, 2). Die Ursachen und Begleitumstände der Finanzkrise wurden analysiert von Organisationen wie dem IWF, den UN (Vereinten Nationen), der Gruppe der Zwanzig Industrie- und Schwellenländer (G-20), Zentralbanken und ihrem Financial Stability Forum (FSF), dem wissenschaftlichen Dienst des US-Kongresses (CRS), dem vom privaten Sektor getragenen Institute of International Finance (IIF) und der bereits erwähnten CRMPG, wissenschaftlichen Räten etc.:

Die gesamten marktbewerteten Verluste bei verbrieften Kreditinstrumenten und Unternehmensanleihen in den USA, der Eurozone und dem UK (Vereinigtes Königreich [United Kingdom]) sind auf etwa US$ 2,8 Billionen angestiegen (Verluste bis 20. Oktober 2008 im Vergleich zu Januar 2007; ein weiterer Anstieg wird erwartet; BoE 2008, 12 und 14). Dies entspricht 5,1 % des globalen BSP (Bruttosozialprodukt) (IMF 2008b, 259, und eig. Ber. [eigene Berechnung]).
  Die Regierungen von zwanzig Industrieländern unterstützen ihre Bankensysteme mit Garantien von US$ 5 269 Mia. (Milliarden) (einschl. einiger Garantien der Anleihen bzw. [beziehungsweise] Finanzierungsinstrumente von Banken [wholesale debt] oder Verstaatlichungen von Banken), Kapitalspritzen von US$ 711 Mia., Aufkäufen von Wertpapieren von US$ 659 Mia. und anderen Unterstützungen von US$ 1 413 Mia. (Ankündigungen bis 24. Okt. 2008; BoE 2008, 33; CRS 2008, 15; Dollarwerte in Spalten 3 und 4 entsprechend Spalten 1 und 2 mit eigenen Berechnungen korrigiert). Die meisten dieser Unterstützungspakete bestehen aus zinsbringenden Krediten, Beteiligungen an Banken, Bürgschaften gegen Gebühr oder dem Tausch von Wertpapieren (so dass Möglichkeiten vorhanden sind, das Geld zurückzuerhalten).
  Als ein Indikator, der Informationen über das potentielle Ausmaß des Marktrisikos im Derivategeschäft liefert, wird der globale Bruttomarktwert ausstehender Derivate im außerbörslichen Handel ("Over-the-Counter"-Markt) verwendet. Dieser verdoppelte sich zwischen Dezember 2006 und Juni 2008 von US$ 9,69 auf 20,4 Billionen – was einem Drittel des globalen BSP gleichkommt. Unter diesen Derivaten sprang der Bruttomarktwert der oben erwähnten, ausstehenden Kreditausfallversicherungen (CDS) von US$ 470 Mia. im Dezember 2006 auf US$ 2,00 Bio. (Billionen) im Dezember 2007 und US$ 3,17 Bio. im Juni 2008. (BIS [Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Bank for International Settlements)] 2008, 5 und 6, eig. Übers.)
  Die Finanzkrise ist in ihren Auswirkungen außergewöhnlich wahllos. Sie hat fast jedes Land getroffen, ungeachtet seines politischen Systems oder seiner Größe, und auch solche Länder, die nicht in besonderer Weise riskanten Schulden ausgesetzt waren. (CRS 2008, 1.) Vier hauptsächliche Ausbreitungswege sind in den Finanzmärkten der meisten Schwellenländer ersichtlich: ein Anstieg des Preises von Risiken, einhergehend mit einer Zunahme der globalen Risikoaversion; ein Ausverkauf an den Aktienmärkten; der Druck auf Landeswährungen; und eine Verringerung der Außenfinanzierung (G-20 SG 2008, 23). Die Lage des Welthungers kann sich weiter verschlimmern, indem die Finanzkrise die Realwirtschaft von mehr und mehr Ländern trifft. Die verringerte Nachfrage in entwickelten Ländern bedroht die Einkommen in weniger entwickelten Ländern vermittelst ihrer Exporte. Geldtransfers von Migranten in ihre Heimat (sog. [so genannte] Rücküberweisungen), Direktinvestitionen und andere Kapitalflüsse einschl. der Entwicklungshilfe sind ebenfalls gefährdet. (FAO [Food and Agriculture Organization of the United Nations] 2008a.)

Länder des globalen Südens tragen insgesamt eine Schuldenlast von US$ 2,7 Billionen gegenüber Industrieländern (WB 2007, 187), die wiederum selbst öffentliche und private Auslandsschulden von mehr als US$ 30 Bio. haben (CIA [Central Intelligence Agency] 2006). Während für die weniger entwickelten Schuldnerländer – zumindest für die ärmsten unter ihnen – kaum Aussichten bestehen, die Kredite jemals abbezahlen zu können, schränkt der laufende Schuldendienst ihre Möglichkeiten ein, sich wirtschaftlich zu entwickeln und soziale Aufgaben zu verfolgen. Der Schuldendienst, den die weniger entwickelten Länder an die Industrieländer zahlen, belief sich 2005 auf US$ 513 Millionen (WB 2007, 187). 2006 bezahlten sie 6,6 % ihrer Exporterlöse und Nettoeinkommen aus dem Ausland. Lateinamerika zahlte sogar 14,8 %. (UN 2008a, Indikator 8.12.) Der Schuldendienst des Südens beträgt das Fünffache der erhaltenen Entwicklungshilfe und fast das Doppelte der Direktinvestitionen. Während der akuten Phase der Verschuldungskrise in den 80er Jahren war der Schuldendienst deutlich höher, aber er bleibt eine chronische Belastung der Volkswirtschaften des Südens. (UNDP [United Nations Development Programme] 2007, 293.)

Ziele:

Trends:

Maßnahmen

Finanzkrisen: Ein verbessertes Risikomanagement der privaten Akteure und eine weitsichtige Regulierung der Finanzmärkte könnten Risiken für die ökonomische und soziale Entwicklung abbauen. Anreize sollten so angepasst werden, dass ein exzessives Eingehen von Risiken vermieden wird (G-20 2008, § 9). Um eine weitere globale Finanzkrise zu verhindern, ist von allen beteiligten Akteuren gefordert, 'das Undenkbare zu denken' (G-20 SG 2008, 35). Die Gruppe der Sieben Industrieländer (G-7) hat sich verpflichtet, die Empfehlungen des Financial Stability Forum schnell und vollständig umzusetzen (G-7 2008; FSF 2008). Erstmalig im November 2008 haben die Regierungschefs der Gruppe der Zwanzig großen Volkswirtschaften (G-20) einen Gipfel abgehalten, und sie haben einige Prinzipien sowie einen Aktionsplan vereinbart (G-20 2008). Auch der private Sektor hat sich auf Verhaltensregeln und Empfehlungen guter Methoden geeinigt. Die Branche als Ganzes erkennt ihre Verantwortung an und ist vollauf entschlossen, diese Schwachstellen anzugehen. (IIF 2008, 23; eig. Übers.) Es gibt acht Bereiche:

Alle Maßnahmen sollten Teil eines Regelwerks sein, welches gewährleistet, dass Ausfallrisiken auch in künftigen Boomphasen berücksichtigt werden – trotz mehrerer Jahre wahrgenommener Stabilität, hoher Erträge und hoher Konkurrenz, wie sie in der Periode bis Mitte 2007 auftraten.

Verschuldung armer Länder: Für ärmere Länder des Südens wurden 1996 und 2005 Entschuldungsinitiativen in Höhe von US$ 59 und 50 Milliarden eingeleitet, die den jährlichen Schuldendienst jeweils um etwa US$ 1 Mia. mildern sollten (Highly Indebted Poor Country Initiative und Multilateral Debt Relief Initiative, UN 2006a, 23).


Anmerkungen: Zahlennamen folgen der sog. langen Leiter:
1 Milliarde = 1 000 000 000 = eintausend Millionen = 109
1 Billion = 1 000 000 000 000 = eine Million Millionen = 1012
Abkürzungen: Mio. für Million, Mia. für Milliarde.

Quellen

Entwurf (2008)

Dieser Entwurf wird von Experten überprüft. Ihre Vorschläge sind willkommen, bitte nutzen Sie das Kontaktformular.

Bildnachweis: © Neil Gould - englisch  - extern.


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